Interview Torsten Sträter – „Ich bin Komiker, kein Philosoph, kein Kabarettist, kein Prediger, kein Politiker.“

Torsten Sträter findet in seinem neuen Programm „Mach mal das große Licht an“ seine Komik auch in den komplexesten Dingen. Er erklärt uns, welchen Konservatismus er gut findet, wie er zu politischen Einordnungen steht und was er von seinen Gästen erwartet. Und warum er glaubt, dass es keinen Generationenkonflikt gibt.

Torsten Sträter

TVinfo: Du stehst mit einem neuen Programm auf der Bühne. Was können deine Gäste von einem Abend mit dir erwarten?

Torsten Sträter: Eine Lauflänge von zwei Stunden. Garantiert. Ist witzig. Die Länge ist ja nicht unwichtig. Wir sehen, dass ja scheinbar der Trend dahin geht, irgendwie eine Stunde acht zu machen und dann wieder zu gehen. Inhaltlich einigermaßen wahrhaftige Geschichten, die mir wirklich gut gelungen sind. Lustige Sachen. Ich finde das Programm selber lustig, und das geht mir nicht immer so in der Frühphase eines Programms. Sie können also etwa zwei Stunden ein unterhaltsames Programm erwarten mit Handlung. Diesmal mit Aufbau, mit rotem Faden.

TVinfo: Was erwartest du umgekehrt von deinen Gästen?

Torsten Sträter: Nichts. Ich erwarte nichts von meinen Gästen. Wenn meine Gäste vor mir sitzen, haben sie irgendwo Karten gekauft. Vielleicht sind sie im Regen an den Schalter gegangen. Oder sie haben gewartet, dass die Karten mit der Post kommen. Dann kam der Mann von der Arbeit oder die Frau. Dann haben sie sich schick gemacht. Dann haben einige dem Babysitter gesagt: Pass mal auf, der Sträter macht so lang, bleib bis elf. Sie haben sich ins Auto gesetzt, sind losgefahren. Dann haben sie die Krise gekriegt, hier in der Siedlung. Jetzt parken die am Arsch der Welt, gehen durch den Regen. Er hat natürlich keinen Schirm dabei, sie sind halb nass hier reingekommen. Er hat sich erstmal ein Bierchen genommen, wenn er schlau ist. Und dann sitzen die da. Die haben jetzt schon so viel gemacht. Ich erwarte von meinen Gästen gar nichts mehr. Ich freue mich aber, wenn sie an den Stellen lachen, die ich lustig meine.

TVinfo: Du thematisierst bei deinen Auftritten manchmal dein Lebensalter, hast aber manchmal auch ein erstaunlich junges Publikum. Wie kommt das?

Torsten Sträter: Man könnte jetzt verschiedene Überlegungen anstrengen. Ob das vielleicht daran liegt, dass ich nicht FDP-Bashing-Kabarett mache. Es kann vielleicht an den Themen liegen. Oder daran, dass ich auch über weite Strecken albern bin. Ich weiß es aber nicht so ganz genau. Ich bin mir auch nicht sicher, ob ich es wissen will. Denn dann hast du wieder so ein Muster erkannt, und ich möchte gar nicht so viele Muster erkennen. Ich freue mich einfach nur, dass ältere Herrschaften da sind und junge Leute. Das ist ja cool, weil ich bei den jungen Leuten dann noch mehr albernen Quatsch machen kann. Ich freue mich drüber.

TVinfo: Es gibt Kabarettisten und Comedians, die machen für ihre Altersgruppe Kabarett und Comedy. Der Humor wächst dann mit dem Alter mit. Gibt es auch Humor, der in allen Altersgruppen gleich funktioniert? Oder bedienst du verschiedene Altersgruppen mit unterschiedlichen Themen?

Torsten Sträter: Ich kann nicht aufs Publikum gerichtet schreiben, das wäre auch unaufrichtig. Eine Nummer über Jugendsprache unterläuft mir zwar andauernd, weil ich Jugendsprache extrem faszinierend finde. Darüber kann man sich auch gut lustig machen. Aber eigentlich denke ich da so nicht drüber nach. Mein Programm bestätigt nichts und streitet auch nichts ab. Das ist das Schöne an meiner Arbeit: Dass ich beim Schreiben auf Sachen komme, bei denen ich mir denke: Das werden die Leute lustig finden. Und dann freue ich mich. Wenn ich das dann später vorlese und da sind die Leute, dann zahlt sich das aus. Dann freue ich mich nochmal. Also ich kann mich an einmal Schreiben mindestens zweimal freuen. Die Leute, jung oder alt, sehe ich an dem Abend zum ersten Mal. Ich habe kein Instagram oder Facebook, wo ich empirisch mal gucken könnte, wer mir folgt. Ich interessiere mich auch nicht so für Zielgruppen. Wenn die Leute kommen wollen, freue ich mich.

TVinfo: Bei dir im Publikum gibt es also keinen Generationenkonflikt?

Torsten Sträter: Wir haben generell keinen Generationenkonflikt. Wir leben alle miteinander, und irgendwann kommen du und ich in ein Alter, in dem wir sagen: Die jungen Leute, da ist alles scheiße. Dann wird es für uns Zeit, zu Hause auf der Couch zu bleiben. Wenn wir sagen, wir verstehen die jungen Leute nicht mehr, die Scheißmusik, dann sind wir soweit: Dann haben wir uns als eigenständige Generation völlig neu aufgestellt und sind veroppert. Dann können wir uns auf die Couch setzen und ein bisschen den Kopf zumachen statt rumzumeckern. Und so lange nehmen wir noch teil. Die jungen Leute kommen uns entgegen, nehmen ein bisschen an uns teil. Ansonsten macht jeder sein eigenes Ding. So läuft das halt. Dass es einen Generationenkonflikt gibt, glaube ich nicht. Nein.

TVinfo: Stimmt, der Satz, dass je älter man wird, umso konservativer wird man.

Torsten Sträter: Das ist Blödsinn. Nein, das stimmt nicht. Wenn du aus einer Zeit konservativer Werte kommst, dann ist das durchaus auch schon mal was Positives. Ich persönlich erfreue mich kindlich an jedem älteren Herren um die 80 sonntags im Anzug mit Krawatte, obwohl er kaum noch laufen kann. Das ist ein konservativer Wert, zu dem ich sage: Ja, sonntags kann man ordentlich rausgehen. Ich verdamme die Jugend dafür, dass sie der Auffassung ist, eine Jogginghose wäre eine vollwertige Hose. Das ist sie einfach nicht. Wenn du sie vorne nicht aufmachen kannst, um durchzupullern, ist es keine Hose. Schlupfdinger sind keine Hosen. Und Sneaker sind streng genommen auch keine Schuhe. Aber das muss ja jeder selber wissen. Das ist halt mein Konservativismus.

TVinfo: Gilt das nur für Oberbekleidung?

Torsten Sträter: Sprache ist auch so ein Ding. Ich mag Leute, die Subjekt Prädikat Objekt benutzen und einen ganzen Satz bilden. Das ist schlicht streng konservativ. Die Verknappung der Sprache wie „Weißt du?“ oder „Hol Auto!“ ist ja nicht nötig. Dass wir Kommunikation so eindampfen, dass wir mit zwei Worten klarkommen und jeder versteht, was du meinst. Sprich doch! Sprache ist dir gegeben, sie kostet nichts. Immer weg vom Körper, immer raus damit. Sei konservativ, sei halt nur kein Blockwart. Sag den Kindern nicht, sie sollen auf der Wiese nicht Fußball spielen. Außer es ist deine Wiese. Leben und leben lassen!

TVinfo: Kannst du mit Kategorien wie rechts und links politisch etwas anfangen?

Torsten Sträter: Ja, klar sagt mir das was. Aber es ist nicht Bestandteil meines Programms. Was ich wähle, kommt in meinem Programm nicht vor und ist ja auch geheim. Ich fühle mich eher links verortet, ohne diese Werte komplett auszufüllen und lehne rechtsradikales Gedankengut ab. Punkt. Und zwar in jedem Aspekt. Wen ich jetzt für wählbar halte und wen nicht, ist mein Privatvergnügen. Ich sehe mich eher links, auch links grün, aber ich fahre trotzdem Benziner. Also ich kann sympathisieren ohne diese Werte alle zu erfüllen. Eigentlich wie wir alle. Natürlich muss der Planet gerettet werden. Aber ich würde gerne Wissenswertes darüber am Strand googlen. Deswegen muss ich vielleicht dahinfliegen. Ich bin wie alle. Ich bin schon für eine bessere Welt, aber so richtig viel wegnehmen lassen will ich mir auch nicht. Da sollten wir alle mal offen zu uns selbst sein.

TVinfo: Du bist ja der Meister verbaler Assoziationsketten mit zunehmender Komplexität. Sagt das mehr über dich oder mehr über die Welt?

Torsten Sträter: Mehr über mich. Es ist eine klassische Kabarett-Eröffnung, dass die Welt verrückt geworden ist. Es ist ja alles so wahnsinnig verrückt geworden und so schwer. Das ist nicht wahr. Die Welt ist genauso simpel wie vorher. Einige Menschen wollen Krieg. Andere verdienen am Krieg. Du wirst immer einen Krieg haben. Wenn nicht wegen Bodenrechten, dann wegen Religion. Menschen sterben. Die Technologie schreitet voran, irgendwo zwischen vollkommen unnützem Scheißdreck und so Wundern wie in der Medizintechnik. Und du musst gar nicht alles verstehen. Wir sind nicht alle Richard David Precht. Was gut ist. Man muss auch auf philosophischer Ebene nicht alles verstehen oder auf menschlicher Ebene. Die Welt ist immer noch genauso simpel wie vorher. Sie hat einfach nur mehr Inhalt. Es wird immer gleich bleiben bis zur Selbstvernichtung.

Torsten Sträter

TVinfo: Sollen sich die jungen Leute in deinem Publikum jetzt auf die Zukunft freuen? Oder sollen sie Angst davor haben?

Torsten Sträter: Die Leute sollen machen, was sie wollen. Ich bin Komiker. Ich bin Experte für nichts. Einfach für nichts. Ich bin nur ganz gut im Beobachten und darin, den lustigen Kern in einer so schrecklichen und trivialen Sache wie Winterreifen oder so zu erkennen. Ansonsten bin ich Experte für überhaupt nichts. Man kann mich schlecht zu politischen Diskussionen heranziehen. Ich habe auch nur Meinungen, ich quelle über vor Meinung. Aber so Fakten habe ich jetzt nicht so wahnsinnig viel auf der Hand. Also ich neige schon dazu, um Diskussionen aus dem Weg zu gehen, abzustreiten, dass ich überhaupt weiß, worum es geht. Meinung kann man von mir immer haben, aber Meinungen haben wir ausreichend. Ich mag das immer gerne, wenn sich ein fundierter Mensch dahinstellt, Fakten von sich gibt und ich mir ein Bild machen kann. Das muss ich aber doch nicht jedem erzählen. Meine Aufgabe ist, ich erzähle dir was und das stimmt vielleicht sogar. Und das ist lustig. Der wichtigste Punkt ist, es ist lustig. Ich bin Komiker, kein Philosoph, kein Kabarettist, kein Prediger, kein Politiker, nichts davon. Lediglich Komiker. Sonst nichts.

TVinfo: Du leihst deine öffentliche Aufmerksamkeit den SOS-Kinderdörfern und bist dort Botschafter. Lohnt sich eine Weihnachtsspende an die SOS-Kinderdörfer?

Torsten Sträter: Unbedingt. Unbedingt. Das lohnt sich. Natürlich lohnt sich eine Weihnachtsspende. Weihnachtsspenden lohnen sich immer. Und das, finde ich, ist das Tolle an Weihnachten. Ich bin ja kein ausgewiesener Weihnachtsfreund, aber wenn die Menschen das freigiebiger macht, bin ich unbedingt dafür. Als Halb-Prominenter kann man für alles Mögliche irgendein Botschafter sein, wahrscheinlich von Eiweißpulver über Autos bis zu Heckler und Koch. Bevor ich das gemacht habe, habe ich mir angesehen, wie SOS-Kinderdörfer funktionieren. Ich hab gefragt, wieviel Geld kommt an, was sind das für Leute und wieso SOS-Kinderdörfer. Deswegen bin ich zuerst mal, bevor ich es gemacht habe, nach Sarajevo geflogen und habe mir das mal angesehen. Dann habe ich verstanden, wie das funktioniert.

TVinfo: Und wie funktioniert es?

Torsten Sträter: Die hauen dir in Gebieten, wo nichts ist, ein Dorf hin. Also geziegelte Häuser nach deutschem Standard. Da wohnen Kinder und kriegen Ersatzeltern. Weil die Eltern gestorben sind im Krieg. Oder sie haben sich sonst irgendwie nicht für ihre Kinder interessiert. Da wachsen Kinder zusammen auf, mit einer Langzeitmutter, mit einem Langzeitvater. Die haben nichts. Also da ist nichts mit Playstation oder so. Die haben das Nötigste: ein Tisch, ein Bett, ein Stuhl. Und so wachsen die auf und kriegen Werte vermittelt. Das funktioniert. Das habe ich gesehen, und da musste ich ein paar Mal weinen. Man ist ja nah am Wasser gebaut. Dann habe ich gesagt: Ja, mache ich.

TVinfo: Torsten Sträter, danke für das Gespräch.

Das Gespräch führte Markus Pins am 14.11.2023 in Düsseldorf.

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